Am 5. Juli hat der Abiturjahrgang 2025 seinen Abschluss gefeiert. „Das Beste kommt noch“, gab Schulleiter Schröder den Absolventen auf den Weg
„Abi looking for freedom“, so lautet das Motto des aktuellen Abiturjahrgangs des Erasmus-Widmann-Gymnasiums. Und um Freiheit ging es auch bei der Abschlussfeier der 73 Schülerinnen und Schüler.
So auch in Lucy Schyllas Scheffelpreisrede. Der nach dem Schriftsteller Joseph Victor von Scheffel benannte Preis für die beste Abiturleistung im Fach Deutsch wird seit 1928 von der Literarischen Gesellschaft an rund 700 Gymnasien in Baden-Württemberg verliehen.
Schylla ist jedoch auch etwas mulmig zumute, wenn sie an die vermeintlich grenzenlosen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung denkt. „Im Angesicht dieser neu gewonnenen Freiheit, doch auch der damit einhergehenden Verantwortung, fühle ich mich manchmal wie ein kleiner Mensch, der allein vor einem großen unbekannten Planeten steht, den es zu entdecken gilt“, sagte die Preisträgerin in ihrer Rede. Im Hinblick auf die unsicherer gewordenen Zeiten fragte sie sich, wie ihr Jahrgang seinen Weg „in einer aufgewühlten Welt“ finden kann.
Zentral sind für Schylla Teamarbeit und Zusammenhalt. Als Erläuterung nutzte sie Aristoteles‘ Äußerung, dass man zwar den Wind nicht bestimmen, aber die Segel richtig setzen könne: „Das Segel auf großen Schiffen zu setzen, ist ein komplexer Vorgang, der viel Teamarbeit erfordert.“ Übertragen auf unsere Gesellschaft gehe es nicht darum, dass jeder das gleiche denke, könne und tue, sondern darum, dass sich jeder mit seinen einzigartigen Talenten und Perspektiven in die Gemeinschaft einbringe. Die Schule habe dafür eine Basis geschaffen. Die Segel richtig zu setzen, heißt für die Abiturientin, einen klaren Wertemaßstab in einer unübersichtlichen, lauten, zerbrechlich wirkenden Welt zu besitzen – und dadurch auch die Windrichtung zu beeinflussen: „Veränderung kommt aus dem Kleinen. Aus Hilfsbereitschaft, Solidarität, Empathie und Menschlichkeit im Alltag“, sagte Schylla.
Der Abschied des Abiturjahrgangs 2025 war zugleich die letzte Abiturrede von Schulleiter Ralph Schröder, der nun pensioniert wird. Der bekennende „Geschichtenerzähler“ lieferte ein Best-of seiner Anekdoten, Gleichnisse und Weisheiten.
Nicht nur weil es sein letzter Jahrgang war, den er verabschieden durfte, war der Jahrgang für Schröder ein besonderer. Sondern es war auch der einzige komplette Jahrgang, den er in den 22 Jahren als Schulleiter unterrichten konnte – eine Seltenheit, die der Tatsache geschuldet ist, dass Schulleiter kaum Unterricht erteilen.
Schröder konnte mit jedem Schüler in Klasse 10 ein längeres Unterstützungs- und Beratungsgespräch führen und den Jahrgang so intensiv kennenlernen. „Was für ein Vorrecht, das waren Sternstunden in meinem Beruf“, sagte der scheidende Schulleiter. Schröder attestierte den Schülerinnen und Schülern „Gewitztheit und Tiefgang“ und bedankte sich für das Vertrauen, das ihm die jungen Menschen geschenkt hätten.
Als Gegenleistung gab er ihnen die drei wichtigsten Erkenntnisse aus seiner langen Karriere mit auf den Weg: „Alle Menschen sind wertvoll und ihre Würde ist unantastbar. Das wichtigste im Leben ist die Liebe – wo Liebe ist, da ist Leben. Und das Beste kommt noch nach der Schulzeit, nach dem Abitur.“
Für den musikalischen Rahmen des Abends sorgte der Jahrgang selbst. Eine Abiband (Tom Gaikowski, Posaune; Lasse Beckmann, Bariton; Judith Benzing, E-Gitarre; Til Kobald, Schlagzeug; Tobias Hihn, Keyboard) spielte Stings Fields of Gold. Ein Chor aus dem Jahrgang interpretierte Viva la vida von Coldplay. Paula Spieler und Claire Föllinger sangen Dancing on the Stars im Duett, Til Kobald, Erik Becker und Leo Candido spielten Wonderwall von Oasis. Für die Vertonung ihres Abimottos hatten sie ihren Mathelehrer Robert Wutke rekrutiert, der David Hasselhoffs Hit Looking for Freedom auf die Bühne brachte.
Im zweiten Teil der Abschlussfeier inszenierte das Moderatorenduo Marius Salm und Charlotte Sauselin eine Talkshowrunde mit Lehrkräften, bei der ein unterhaltsamer Blick auf die gemeinsame Schulzeit geworfen wurde. Es folgte der traditionelle Schlusspunkt: der Abitanz. Danach feierten die frischgebackenen Absolventen im Foyer der Hagenbachhalle ausgelassen bis in den Morgengrauen weiter.
„Abi looking for freedom“ – ein talentierter Jahrgang ist bereit, die große Freiheit zu entdecken.
Jochen Schmidt