Integration von Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache mit gymnasialem Begabungsprofil
Seit Beginn des Schuljahres 2022/2023 gibt es in Schwäbisch Hall am Erasmus-Widmann-Gymnasium am Schulzentrum West eine Vorbereitungsklasse (VKL-Klasse) die von rund 12 Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache ohne vorherige Deutschkenntnisse besucht wird. Viele dieser Kinder kamen bereits kurz nach Ausbruch des Ukraine-Krieges ans EWG und konnten schon vor Etablierung der VKL-Klasse Schulluft in Deutschland schnuppern. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Deutschunterricht dieser Kinder von vielen Lehrerinnen und Lehrern am EWG ehrenamtlich übernommen. Im September 2022 konnte dann pünktlich zu Schuljahresbeginn die erste VKL-Klasse an einem Haller Gymnasium den Unterricht aufnehmen.
Was sind Vorbereitungsklassen?
Vorbereitungsklassen (VKL) bieten zugewanderten Kindern/Jugendlichen und Flüchtlingen mit nichtdeutscher Herkunftssprache und geringen Deutschkenntnissen in Baden-Württemberg einen geschützten Raum in welchem sie die neue Sprache erlernen können und mit ihrem neuen Schulumfeld vertraut zu werden.
Was bedeutet Demokratiebildung in Vorbereitungsklassen?
Die Demokratiebildung ist in VKL-Klassen ein essentieller Baustein für den weiteren schulischen Integrationsprozess. In der Primarstufe erhalten VKL-Klassen zwei Stunden Demokratiebildung und in der Sekundarstufe 4 Stunden. Demokratiebildung ist alles, was den Schülern hilft sich in Deutschland zurecht zu finden und am Leben teilzuhaben.
Auf dem Stundenplan der VKL-Klasse stehen laut Verordnung des Kultusministeriums zur Regelung der Stundentafel für die Vorbereitungsklassen allgemeinbildender Schulen 12 Stunden Deutschunterricht, 4 Stunden Demokratiebildung und 9 Stunden Fachunterricht in Fächern wie Mathematik und Englisch. Die VKL-Schülerinnen und Schüler wurden gemäß ihrem Alter auf verschiedene Klassenstufen verteilt. Die Jüngsten unter ihnen besuchen die Klassen 5 und die Ältesten die Kursstufe. Somit besuchen die Kinder von Anfang an stundenweise den Regelunterricht und werden so fest in der ihnen zugeordneten Klasse integriert. Für die Deutschstunden und die Demokratiebildung werden die SchülerInnen aus dem Regelunterricht herausgenommen, um parallel in Deutsch und der Demokratiebildung beschult zu werden. Vorrangiges Ziel ist es, dass die SchülerInnen nichtdeutscher Herkunftssprache zügig die deutsche Sprache lernen und in ihrer Klasse integriert werden.
Ulrike Winter übernimmt seit Beginn des Schuljahres den Deutschunterricht der Vorbereitungsklasse am EWG. Sie ist studierte Philologin in den Fächern Französisch und Spanisch und ausgebildete Sprachförderdozentin für Kinder mit Migrationshintergrund und Flüchtlingskinder. Die Demokratiebildung wird von der Englisch-, Geographie- und Gemeinschaftskundelehrerin Dorothee Kindl übernommen. Frau Kindl besitzt die bilinguale Zusatzausbildung für ihre Sachfächer und hat langjährige Erfahrung im bilingualen Unterricht an Gymnasien.
Die Einführung und Etablierung einer Vorbereitungsklasse wird von der gesamten Schulgemeinschaft getragen und es wird viel von allen Beteiligten erwartet. Dass es nicht immer leicht ist, ist selbstverständlich vorprogrammiert. Es ist nicht nur eine organisatorisch anspruchsvolle Aufgabe, sondern auch eine emotional herausfordernde. Die Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine haben in den letzten Monaten viel erlebt und müssen viel verarbeiten. Täglich werden sie mit den schlimmen Ereignissen in ihrer Heimat konfrontiert. Dem Curriculum stringent zu folgen ist nicht oberste Priorität. Die Pädagogen haben viel Freiraum, denn bei der VKL-Klasse handelt es sich keinesfalls um eine homogene Gruppe. In der Klasse sind verschiedene Kinder unterschiedlichen Alters, mit unterschiedlichen Deutschkenntnissen, verschiedenster Vorgeschichten und Herkunft. Manche SchülerInnen geben sich sehr viel Mühe und möchten die neue Sprache nicht nur lernen, sondern auch verstehen und zeigen ihr Können unter anderem in kreativen Projekten wie zum Beispiel dem Erstellen eines Videos über das EWG oder im Ausüben des Amtes eines Klassensprechers. Auf der anderen Seite gibt es aber auch diejenigen Kinder, die wieder nach Hause möchten und wenig daran interessiert sind sich zu integrieren oder die neue Sprache zu lernen. Erfreulicherweise gibt es auch SchülerInnen, die aufgrund ihrer guten Deutschkenntnisse nicht am VKL-Unterricht teilnehmen, sondern den Regelunterricht ihrer zugeordneten Klasse besuchen. Oleksandra zum Beispiel, ist 13 Jahre alt und kommt aus Odessa. Sie besucht seit Beginn des Schuljahres den Regelunterricht der Klasse 8a und hat schnell Anschluss in ihrer Klasse gefunden. Ihre Lieblingsfächer sind Englisch und Mathematik, weil sie diese Fächer mit ihren Deutschkenntnissen am besten versteht. Auf die Frage welches Schulsystem ihr denn besser gefallen würde, antwortet Oleksandra schnell, dass ihr das deutsche Schulsystem besser gefalle. In der Ukraine gäbe es mehr Einzelstunden, und nicht so viele Doppelstunden wie in Deutschland, und man würde mehr Klassenarbeiten und Tests schreiben. Generell sei alles etwas strenger und hier hätte man mehr Schülerzentrierung und mehr Zeit sich in die einzelnen Schulfächer und ihre Inhalte hineinzudenken.
Eine Handvoll Kinder möchte weiterhin in Deutschland bleiben und hier eventuell einen deutschen Schulabschluss machen. Die Anderen wünschen sich eine baldige Rückkehr in eine friedliche Heimat.
Dorothee Kindl
Der Bericht erschien am 18. Februar im Haller Tagblatt. Einen weiteren Artikel über die VKL finden Sie unter: