Feierliche Verabschiedung von 69 Abiturientinnen und Abiturienten des Erasmus-Widmann-Gymnasiums am 17. Juli in der Hagenbachhalle
Zu den Ritualen von Abschlussjahrgängen gehört es, sich ein Motto auszusuchen. Der Jahrgang 2021 entschied sich für „Abi Road 2021“, in Anspielung an das berühmte Abbey Road – Album der Beatles. Tatsächlich war ihr Weg zum Abitur kein einfacher. Im Vorwort zur Abiturzeitung schreiben die Herausgeberinnen: „Auf die Kursstufe haben wir alle hingefiebert: Abi-Partys, Studienfahrt, der große 18. Geburtstag, der Führerschein. Und doch kam mit der Pandemie alles anders.“ Schulleiter Ralph Schröder betont in seiner Abschlussrede die seelischen und emotionalen Belastungen, denen die Jugendlichen durch eingeschränkte Sozialkontakte, Fernlernen und Zukunftsängste ausgesetzt waren. Unter diesen Rahmenbedingungen leisteten die Schülerinnen und Schüler Außergewöhnliches und bewiesen Charakter: Mit einem Durchschnitt von 2,0 und sechsmal der Traumnote 1,0 ist es der mit Abstand beste Jahrgang in der 18-jährigen Ära des Schulleiters. Dies ist für ihn der Grund, den Abiturjahrgang bei der Zeugnisübergabe einzeln zu krönen – dass man das Wort Corona mit Krone übersetzen kann, macht das Krönungsritual für Schröder umso passender. Der Jahrgang zeichne sich nicht nur durch hohe Leistungsbereitschaft und herausragende Noten aus, sondern auch durch Empathie, Humor und Sozialkompetenz: „Sie verkörpern einen menschlich erlesenen Jahrgang, der auch andere und deren Wohl und nicht nur sich selbst im Blick hat.“
In den Reden standen dann auch nicht die individuellen Leistungen im Mittelpunkt. Ralph Schröder will den Jugendlichen eine Botschaft mit auf den Weg geben: „Anerkennung, Ruhm und Ehre, Reichtum und Macht können ein Leben bereichern. Wenn man aber selbst keine Liebe geschenkt bekommt, oder Liebe an andere weitergeben kann, fehlt das Wichtigste im Leben.“ Er dankt insbesondere den Angehörigen für ihre Liebe und Unterstützung in schwierigen Zeiten, und den Lehrerinnen und Lehrern für die profunde Vorbereitung auf Prüfungen unter Pandemiebedingungen.
In einer ungewohnt politischen Rede macht sich auch die Scheffelpreisträgerin Clara Hölzel über den Zustand der Welt Gedanken. Sie greift ein Zitat aus der Scheffelpreisrede auf, die 1968 an einem Sigmaringer Gymnasium gehalten wurde: „Demokratie ist unteilbar“. Diese Feststellung ist für sie aktueller denn je. Hölzel verweist auf die Erosion demokratischer Strukturen und die Zunahme autoritärer Tendenzen weltweit – auch in Deutschland. Sie appelliert an ihre Generation, sich eindeutig für demokratische Werte zu positionieren, das Wahlrecht wahrzunehmen und Gruppierungen entgegenzutreten, „die durch populistische oder offen extremistische Parolen scheinbar einfache Lösungen für komplexe Probleme anbieten.“ Sich für Demokratie zu positionieren, bedeutet für die Scheffelpreisträgerin, einander zuzuhören, offen und tolerant zu sein. Auch wenn Vielfalt meist anstrengend sei, das Gegenteil sei die Einfalt. Nun, am Ende der Schulzeit gehe es darum, seinen Platz in der Gesellschaft außerhalb der beschützenden Wände der Schule zu finden: „Wir alle tragen eine Kraft in uns, etwas in der Welt zu verändern und nicht nur von der Gesellschaft geprägt zu werden, sondern diese auch aktiv zu gestalten.“ Sie fordert ihren Jahrgang auf, die Verantwortung für die Welt aktiver bei sich selbst zu sehen und sie nicht reflexhaft anderen zuzuweisen. Dabei erinnert sie an den Werdegang von Winfried Kretschmann, den Sigmaringer Scheffelpreisträger von 1968, der es vom protestierenden Jugendlichen zum Mitbegründer der Grünen in Baden-Württemberg und schließlich zum Ministerpräsidenten brachte.
Auch Schröder erhofft sich, dass dieser durch Talent und Begabung reich beschenkte Jahrgang seiner Heimat und der Welt etwas zurückgibt: „Um die Probleme und Herausforderungen der Zukunft zu meistern, brauchen wir Sie, Bürgerinnen und Bürger, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und dabei Werte wie Menschlichkeit, Friedensstreben und Weltoffenheit nicht mit Füßen treten.“
Neben diesen eindringlichen Worten bekam das Publikum in der Halle und im Livestream auch mehrere Kostproben von Jona Steinmeyers außergewöhnlichen Gitarrenkünsten (u.a. Stevie Wonders Isn’t she lovely) und wurden durch das Moderatorenduo Clara Hölzel/ Benjamin Holderle unterhaltsam durch das Programm geführt. Am Ende der Abi Road wartete dann der Kursstufenchor, der die Gäste mit einem Beatles-Medley in den Abend schickte.
Vor der Halle konnten Abiturientinnen und Abiturienten, Freunde, Angehörige und die Lehrerschaft einen lange herbeigesehnten, unbeschwerten Sommerabend genießen und ausgelassen feiern.
Jochen Schmidt
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