Abiturfeiern folgen einer gewissen Choreografie. Eingerahmt in musikalische Beiträge gibt es Reden, Rückblicke auf die Schulzeit, Blicke in die Zukunft, Preise, Geschenke, ein Abiturmotto und natürlich die Zeugnisse – den Ausweis der allgemeinen Hochschulreife, der am Ende einer meist zwölfjährigen Schullaufahn steht. Und wie in jeder Institution haben sich auch am Erasmus-Widmann-Gymnasium Traditionen herausgebildet, wie diese Feier über die Bühne geht: Beim Sektempfang trudeln die Feiergäste nachmittags am Schulzentrum West ein und der jeweilige Jahrgang versammelt sich zum Fototermin. In der festlich geschmückten Hagenbachhalle geht es dann, unterbrochen durch ein reichhaltiges Buffet, bis in die Nacht weiter. Wenn dann die Lichter ausgehen, zieht es den standhaftesten Teil der Feiergesellschaft noch in die Stadt.
Die Moderatoren Elisa Dowerk, Lea July und Mats Schneider begleiteten die 69 Absolventen ihres Jahrgangs durch die liebgewonnenen Traditionen dieser Veranstaltung.
Schulleiter Ralph Schröder hatte das Privileg, die erste Rede an die Abiturienten, deren Lehrkräfte und Familien zu richten. Passend zur EM wählte er Fußballmetaphern, um zu verdeutlichen, was dieser Abschluss nun bedeutet: „Sie haben Ihre Eintrittskarte für die größten und bedeutendsten Stadien dieser Welt gelöst, nämlich unsere Universitäten und Hochschulen.“ Auch wenn einige zweikampfstarke Gegner wie das Mathematik-Abitur dabei gewesen seien, hätten sich die Schülerinnen und Schüler durchgebissen und nun gesiegt. Im Zentrum seiner Rede stand jedoch das Lebensglück. Glück entstehe da, wo man teile, füreinander da sei und sich gegenseitig unterstütze. Schröder zitiert Albert Schweitzer: „Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.“ Auch die nun bevorstehende Berufswahl habe enorme Auswirkungen. Ohne Sinnhaftigkeit im Tun und Berufs sei es sehr schwer, Lebensglück zu finden. Er appellierte an die Absolventen, sich bei der Berufswahl nicht nur an Macht, Geld und Freizeitspaß zu orientieren, sondern auch Verantwortung für Mitmenschen, Gesellschaft und Natur zu übernehmen – und dadurch auch das eigene Glück zu finden: „Narzissten und Egomanen gibt es schon genug auf dieser Welt!“
Die Scheffelpreisrede der besten Deutschabiturientin wurde dieses Jahr von Lilli Nieß gehalten. Gemeinsam mit Judith Bilger und Greta Weida erzielte sie einen Traumdurchschnitt von 1,0. Aber auch Lilli findet, dass das Glücklichsein wichtiger als gute Noten sei. Sie rief ihren Abschlussjahrgang dazu auf, zu den eigenen Wünschen, Ideen und Hoffnungen zu stehen und sie zu verfolgen. Idealismus sei eine Stärke, keine Schwäche: „Ignoriert alle, die eure Ideen klein reden.“ Wenn man eine Tätigkeit richtig liebe, werde man dort auch erfolgreich sein.
Die letzte Rede des Abends war Ina Rübenstrunk in einer Dreifachrolle vorbehalten – als Lehrerin, Vorsitzende des Schulfördervereins und Mutter einer Abiturientin. Sie wählte „rund sein“ und „eckig sein“ als Metaphern, die für die beiden Pole menschlicher Interaktion mit der Gesellschaft stünden und zwischen welchen die jungen Erwachsenen eine Balance finden müssten. Anpassung an gesellschaftliche Normen und Werte sei wichtige Voraussetzung für gelingendes Miteinander in einer demokratischen und sozialen Gesellschaft. Aber Schülerinnen und Schüler zeigten auch „Ecken und Kanten“, seien Persönlichkeiten mit eigenen Hobbys, Einstellungen und Lebenskonzepten. Das Erasmus-Widmann-Gymnasium profitiere von der Vielfalt von Herkunft und Fähigkeiten: „Ihr macht das Schulleben interessant und bunt.“
Für die musikalischen Glanzpunkte des Abends sorgte die Schulgemeinschaft selbst: Der Kursstufenchor gab Mamma Mia von ABBA zum Besten und das an den Song von Olly Murs angelehnte Abimotto „My heart skips Abi“ wurde vom Schüler-Lehrer-Duo Jakob Breuninger und Robert Wutke kongenial auf die Bühne gebracht. Emotional wurde es, als die Big Band ein Queen-Medley zu Ehren ihrer Mitschülerin Nevena Vasiljević spielte. Nevena war kurz vor den Abiturprüfungen im Januar überraschend verstorben. Sie liebte die Auftritte der Big Band und war dort am Klavier immer mit von der Partie. Nevena war es auch, die sich um die Organisation der Abigala kümmerte – eine Aufgabe, die dann Lana Fischle und Lara Neben notgedrungen übernahmen. Gemeinschaft drückt sich eben nicht nur in den freudigen, sondern auch in den schweren Momenten aus. So war dann auch der traditionelle Schlusspunkt des Abends, der von den Abiturientinnen und Abiturienten choreografierte Abitanz, Ausdruck des Zusammengehörigkeitsgefühls des Jahrgangs 2024 am Erasmus-Widmann-Gymnasium.
Jochen Schmidt