Als Novum in der theaterpädagogischen Tradition des Erasmus-Widmann-Gymnasiums betrat eine Schauspieltruppe aus Lehrkräften des Gymnasiums die Bühne und bereitete dem Publikum in einer Samstagsmatinée großes Vergnügen. Die Idee dazu entstand anlässlich des 450jährigen Jubiläums von Erasmus Widmann im Jahr 2022, und jetzt, nur zwei Jahre später, war es so weit: „Gut Ding braucht eben seine Zeit“, wie die Initiatorin, Regisseurin und selbst ernannte Theatermaus Barbara Mühlen dem gespannten Publikum mitteilte. In einem gekonnt inszenierten Präludium gab sie durchaus (selbst)ironisch Einblick in die nicht immer leichte Theaterarbeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen, die – ihrem Aufruf mitzumachen – aus dem Publikum auf die Bühne gefolgt sind. So standen als Überraschungsteilnehmer zehn Männer und Frauen im Rampenlicht und machten sich an die Arbeit, mit Peter Squenz von Andreas Gryphius eine barocke Komödie zu tradieren nach der Vorlage von Shakespeares‘ Sommernachtstraum.
Das Spiel im Spiel begann: Peter Squenz (Daniel Bangert) sucht in seinem Dorf Akteure für die antike Liebesgeschichte von Pyramus und Thisbe des „Kirchenvaters“ Ovid, um sie dem König zur Belustigung und zum Gewinn vorzutragen. Der Ablauf der Handlung, die Besetzung der Rollen und die Gestaltung der Szenerie werden spielerisch und höchst amüsant vor den Augen der Zuschauer entfaltet: Der liebeskranke Pyramus (Stephanie Zigan) und die jungfräuliche Thisbe (Nico Schmid) sorgen allein durch den Rollentausch und ihre Sprechweise, die Wand (Pia Härder), der Maulbeerbaum mit Mond (Ina Rübenstrunk) und der Brunnen (Ulrike Winter) durch ihre Kostümierung und Bewegungen für große Erheiterung. Den großen Auftritt hat Peter Squenz, als er wortgewandt sein einstudiertes Stück dem Königspaar (Johannes Holfter, Barbara Mühlen) samt der pubertierenden Kronprinzessin (Gisela Rieder) und dem adretten Hofmarschall (Uli Mang) zur Vorführung schmackhaft machen kann. Im dritten Akt wird der Hofstaat auf einem verlängerten Steg der Bühne selbst zum Zuschauer und verfolgt mit zum Teil bissigen Kommentaren und höhnischem Gelächter das eigentliche Bühnenstück. Herr Squenz, zum Souffleur und Regisseur mit beschränkter Macht abseits der Bühne platziert, schaut dem Treiben seiner Komödianten mehr schockiert als amüsiert zu und notiert verzweifelt die gemachten Säue (Fehler): Pyramus‘ Geflüster durch das Loch in der Wand gerät zu einem Handgemenge beider Akteure, in dessen Verlauf der Mond samt Maulbeerbaum in Mitleidenschaft gerät – und erst erneut wieder aufgehen muss. Die Verfolgungsjagd des Löwen (Stefanie Golkowsky) auf Thisbe ist eine herrlich groteske Szene, und schließlich wird die mehrmals versuchte und in die Länge gezogene Selbsttötung des Pyramus zur reinen absurda comica. Die Zuschauer danken es den Spielern mit lautem Gelächter und Applaus, der König Herrn Squenz mit reichlich Gold, indem er nach gemachten Säuen aufwiegt.
Die Inszenierung und vor allem Besetzung der Rollen ist Barbara Mühlen hervorragend gelungen. Nach der Aufführung hatten vermutlich viele Besucher den Eindruck, dass nur Daniel Bangert mit seiner natürlichen Komik und gekonnten Intonation Peter Squenz und nur Ulrike Winter den trällernden, wasserspeienden Brunnen verkörpern konnten. Darüber hinaus zeigten sich ungeahnte Talente bei Stephanie Zigan als liebestrunkenem, teils frivolem Pyramus und dem Weltlichen durchaus zusprechenden Vikar Niko Schmid als Thisbe.
An dieser Stelle geht ein herzliches Dankeschön an das gesamte Ensemble für einen sehr vergnüglichen Vormittag. Man möchte rufen: Wiederholung und Zugabe! Vielleicht entsteht ja eine neue Theater AG am EWG.
Das Stück wird am Freitag, den 1. März 2024 um 19.30 Uhr in der Aula noch einmal aufgeführt!
Klaus Hirschmann