Nach zwei Jahren Zwangspause darf das Oberstufentheater des Erasmus-Widmann-Gymnasiums wieder auf die Bühne und begeistert das Publikum
Die zwölfköpfige Theater-AG unter der Leitung von Barbara Mühlen hatte sich mit Jura Soyfers Weltuntergang ein Drama von 1936 vorgenommen, das durch seine Sprache und historischen Bezüge sicherlich nicht einfach zu verstehen ist, aber in unseren Tagen um so aktueller erscheint. Die Einführung zu Autor und Werk von Florian Schmidtgall, dem Herausgeber des wiederentdeckten Stückes, war deshalb als Einstimmung sehr hilfreich.
Zu Johann Strauß‘ Donauwalzer tanzten die Schauspielerinnen vor dem Hintergrund einer riesigen Weltkugel laut- und beinahe schwerelos auf die nur wenig ausgeleuchtete Bühne. Nach den Anfangsworten war schnell klar: Hier tagt das kosmische Gericht der Planeten unter Führung der Sonne (Fiona Reti), um den Untergang der Erde zu beschließen. Grund für die Maßnahme: Das Verhalten der Menschen, dieser „widerlichen Kreaturen“ (Saturn – Patricia Almasi). Todesart: Zerstörung durch den Kometen Konrad (Lukas Steigerwald).
Im Telegrammstil „Kurz lang, kurz lang, Weltuntergang. Stop!“ verbreitet sich die Nachricht vom drohenden Unheil auf der Erde rasend schnell. Mit einfachen Bühnenmitteln verwandelt sich die Weltkugel in eine Scheibe, die, auf Höcker gelegt, fortan als Tisch oder gar am Schluss als Abflugrampe für den vermeintlich rettenden Flug ins All dient. Über der Bühne schwebt ein großer Komet mit einem Auge, der das Geschehen auf der Erde beobachtet und mit jeder Szene bedrohlich näher rückt. Das ausdrucksstarke und doch auf das Notwendige reduzierte Bühnenbild – gefertigt von den Kunstlehrerinnen Hedwig Maier und Pia Härder – gibt dem gesprochenen Wort der Akteure mehr Raum. In mehreren, sehr abwechslungsreichen Einzelszenen wird das größtenteils abstruse Verhalten der Menschen karikiert. Einzig dem Wissenschaftler Prof. Guck (Fiona Reti), der aufgrund seiner physikalischen Berechnungen eine Lösung parat hat, geht es wirklich um die Rettung der Menschheit. In dem Bemühen, die Finanzierung seiner weltrettenden Apparatur zu sichern, begegnet er menschlichem Unverstand und Borniertheit-auf höchster Ebene. Der Wortwechsel mit dem größenwahnsinnigen Führer – Leonie Luckner mit Originalakzent und Sprachduktus hervorragend – ist ebenso ein Highlight wie die Begegnungen mit einem englischen und einem französischen Beamten (Seraphine Wehse und Friederike Bühler). Hier spürte man den Spaß am Spiel! Auch die Reaktionen der Wiener Gesellschaft sind wunderbar eingefangen: Das menschliche Sinnen, selbst im Angesicht einer Riesenkatastrophe, richtet sich ausschließlich auf Eitelkeiten und Profit. Völlig frustriert ob dieser Ignoranz verliert Prof. Guck den Glauben an die Menschheit, deren Wesen ihm ein farbiges Plakat enthüllt: Titze-Tante Tipps! Titze-Tante wird im selben Moment lebendig – Plakat gemalt von Hedwig Maier, gespielt von Aimee-Yvette Winter- und erklärt im echten Wienerschmäh ihre Kaffeehausphilosophie: A bisserl Zucker, a bisserl bitter, a bisserl Dummheit, a bisserl Lug – Hauptsache: ´s wird nix verbröserlt! Herrlich!
Angesichts der heutigen Krisen und der Frage, wie wir damit umgehen, bleibt dem Zuschauer nur die nüchterne Erkenntnis, dass Jura Soyfers Drama auch ein Spiegel moderner Gesellschaften ist. In der Grundeinstellung hat sich leider in den vergangenen 80 Jahren nicht viel verändert. Doch der verblüffende Schluss, dass es eben nicht zur Katastrophe kommt, der Komet Konrad an der Erde vorbeifliegt, weil er sich wegen oder trotz der menschlichen Unzulänglichkeiten in die Menschheit verliebt hat, gibt Anlass zur Hoffnung, dass sich doch noch alles gut fügen kann.
Barbara Mühlen und ihrer absolut homogen wirkenden Theater-AG ist es gelungen, diese Botschaft in einer musikalisch und künstlerisch überzeugenden Inszenierung mit viel Sprachwitz zu transportieren.
Klaus Hirschmann