Für dieses Schuljahr hatte sich die Oberstufentheater-AG des Erasmus-Widmann-Gymnasium unter Leitung von Barbara Mühlen für die klassische Komödie „Der eingebildete Kranke“ nach Molière entschieden. Dem Genre entsprechend gab es in der Aula des Schulzentrums eine sehr unterhaltsame Vorführung mit überzeugend gespielter Situationskomik in Fülle. Schon das Bühnenbild zu Beginn (entworfen und gestaltet von Katja Sauler, Mathilda Jähme, Emma Simon und Lynn Schwaderer) entführt den Zuschauer unmissverständlich in das Leben eines von Krankheit und Arzneien geprägten Menschen: In einem Zimmer mit zwei übergroßen, von den Aufschriften „Toilettes“ und „WC“ gekennzeichneten Drehtüren und einem Liegesofa sitzt Herr Argan (Emma Simon) an einem von überdimensionierten Medizinschachteln übersäten Schreibtisch und listet seine in einem Monat eingenommenen Präparate und Klistiers auf. Die bloße Menge und die Präparatbezeichnungen – MiMiMi forte (herrlich!) – wirken so komisch, dass dem Thema Krankheit und Tod von vornherein die Ernsthaftigkeit genommen wird. Der Zuschauer darf und soll lachen über den Zustand des eingebildeten Kranken Argan.
Er hat vor, solange er noch lebt und die Kraft dazu hat, seine Tochter Angelique (Leonie Schulz) zu verheiraten -natürlich mit einem Arzt seiner Wahl – und seine zweite Frau Beline (Maren Klenk) durch sein Vermächtnis für ihre treue und aufrichtige Liebe zu versorgen. Beide Pläne sind aber zum Scheitern verurteilt: Zum einen liebt Angelique nicht den vorgesehenen Arzt Thomas Diaforus (Ayo Hintz), sondern Cleante (Lukas Steigenwald), ihren glühenden Verehrer. Zum anderen ist seine zweite Frau Beline keine treu liebende Ehefrau, sondern eine kühl kalkulierende Femme fatale, die für ihren kränklichen Hypochonder nur Verachtung übrighat. In ihrem mondänen Abendkleid mit hochhackigen Schuhen will sie auch äußerlich so gar nicht zu ihrem im Schlafanzug mit dicken Wollpantoffeln wandelnden Gatten passen! All das bleibt aber dem naiv-dümmlichen Argan, der allein in seinen Krankheiten verhaftet ist, verborgen. Für die richtige Wendung der Geschicke sorgt das Hausmädchen Argans, Toinette (Mathilda Jähme). Sie ist mit den Charakteren des Hauses bestens vertraut, kennt alle Zusammenhänge und weiß, mit gewisser List und Täuschung Argan so zu beeinflussen, dass er selbst am Ende die richtigen Entscheidungen trifft und sich alles zum Guten wendet.
Zwei Protagonisten prägen also das heitere Spiel, und sowohl Emma Simon als auch Mathilda Jähme sind absolut überzeugend in ihren Rollen: Mimik, Gestik, Sprache und Ausdruck wirken schon sehr professionell. Aber auch die anderen „Nebenakteure“ können schöne Akzente setzen: Thomas Diaforus, der als frisch studierter Medicus auf recht akademische Weise in Begleitung seines Vaters (Christina al Assaf) Angelique und ihrem Vater seine Aufwartung macht, ist ebenso unterhaltsam wie das Ärztetrio mit Dr. Purgon (Yuliana Syntyk), das im Sprechgesang die Profitgier und Unwirksamkeit medizinischer Heilversuche offenbart. Wie passend dazu ist der Auftritt von Beralde (Oktawia Palen), der – dem Alkohol- und Nikotingenuss zugetan- seinem Bruder Argan die Augen über dessen Hypochondrie öffnet und die Scharlatanerie der Ärzte anprangert! Schließlich ist noch die „Liebesszene“ zwischen Angelique und Cleante, der sich als ihr vermeintlicher Gesangslehrer in das Haus Argan eingeschlichen hat, hervorzuheben. In einer Gesangseinlage säuseln die beiden im Duett und versichern sich ihrer Liebe, ohne dass der anwesende Argan auch nur einen Schimmer davon versteht.
Der Regisseurin Barbara Mühlen ist wiederum mit ihrem Ensemble vom Bühnenbild angefangen, über die Kostümierung bis zur technischen Ausgestaltung (unter Leitung von Robert Wutke) eine sehr stimmige und unterhaltsame Aufführung gelungen. Und dieses Mal unter erschwerten Bedingungen: Aufgrund der plötzlichen Erkrankung eines Schauspielers musste sie am Premierentag selbst spontan (mit Textheft) die Rolle des Cleante übernehmen. Die Nerven muss man haben!
Klaus Hirschmann