„Zwölf Jahre im falschen Film“ – so überschrieben die 83 Schulabgängerinnen und -abgänger des Erasmus-Widmann-Gymnasiums ihre Einladung zur Verabschiedung und Zeugnisübergabe. So falsch kann der Film allerdings nicht gewesen sein, denn der Durchschnitt aller Abiturienten liegt bei 2,2 und bei einem guten Drittel steht eine eins vor dem Komma.
Schon an der festlichen Dekoration der Hagenbachhalle mit hohen Tischleuchtern war zu erkennen, dass hier ein Jahrgang mit Stil das EWG verlässt. Marcel Müller und Melissa Möller führten durch den bunten Nachmittag und Abend – so als ob sie nie etwas anderes gemacht hätten und insgesamt fiel die „Filmkritik“ des Jahrgangs mehr als positiv aus, die Abgänger, deren Eltern und sogar die Lehrkräfte erhielten doch eher die eines Oscars würdigen Lobes. Bei bereits im zweiten Jahr angespannter Welt- und Klimalage mit vielen Problemen betonte Schulleiter Ralph Schröder in gewohnt optimistischer Weise das Positive. „Sie alle haben ihr Abitur erfolgreich absolviert, unabhängig davon mit welchem Schnitt, können und sollen Sie stolz auf sich sein.“ So zitierte er heiter mancherlei Ausreden fürs Zuspätkommen („Ich wohne in Mainhardt, da liegt Schnee“), verwies auf Thomas A. Edison, der großartig von seiner Mutter in Schutz genommen wurde als seine Schule ihn als behindert loswerden wollte – eine Diagnose für Schwerhörigkeit hatte niemand gestellt. Und schließlich ermutigte er dazu, den Schulabgang als Chance für ein selbstbestimmtes Leben zu sehen, empfahl aber den Schulabgängern, Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft zu übernehmen und im Geist von Erasmus Widmann (450. Geburtstag in diesem Schuljahr) mit Achtsamkeit und Einfühlungsvermögen zum Wohle aller zu agieren.
Auch Scheffelpreisträgerin Joanna Lechler lud mit ihrer Rede alle ein, sich ob des bestandenen Abiturs auf die Schultern zu klopfen, niemand sei hier locker flockig durchmarschiert, alle seien früher oder später an ihre Grenzen gekommen, jeder möge sich hierzu seiner eigenen Grenz-Momente erinnern. Aber auch Joanna hob – auf das Schulleitbild des EWGs verweisend – das Positive hervor: „Als Persönlichkeit wachsen. Sich eigene Meinungen und Werte zulegen, seinen Mitmenschen mit Respekt und Offenheit gegenüberzutreten. Seinen Selbstwert begreifen.“ Zwar gebe es 1000 Wege, den Weg durch die Schulzeit zu bestreiten, aber doch komme es auf den achtsamen Umgang mit sich selbst und anderen – siehe Schulleitbild – an.
Neben der Überreichung der Abiturzeugnisse, wie gewohnt mit selbstgewähltem Partner / Partnerin und selbstgewählter Musik, dem Preise-Reigen und Lob der Besten (siehe Kasten) gab es auch eine ganze Menge handgemachter Musik. Vom Kursstufenchor zur Eröffnung, Vater Rainer (Lehrer) und Sohn Joa (Abiturient) Kindermann, Luisa Knödlers hervorragend intoniertem und mit Verve vorgetragenen „Writing’s on the Wall“ von Sam Smith und dem absolut virtuos dargebotenem „Tango Fantastico“ von Tamineh Steinmeyer an der Querflöte – perfekt begleitet von ihrem Bruder Jona an der Gitarre (Abiturjahrgang 2021) war eine ganze Menge sicht- und hörbare Lebensfreude geboten. Der falsche Film? Ganz gewiss nicht. Eine filmreiche Verabschiedung, die im Gedächtnis bleiben wird. Nach dem offiziellen Teil wurde nach dem gemeinsamen Essen fröhlich weitergefeiert. *** Zum ersten Mal auch wieder mit einer Rede eines Lehrers an den Jahrgang, Markus Pichlak (Sport und Geschichte) – wer das Abitur geschafft habe, könne ab sofort alles schaffen. Auch er hob den besonders wertschätzenden Umgang zwischen den Paukern und den SchülerInnen hervor. Ebenfalls stand bei seiner Rede die Wahrnehmung eines sehr sozialen Jahrgangs im Vordergrund. Sein Fazit „Ich werde Euch vermissen“. Trotzdem sei vom Berichterstatter vermerkt: Hinaus ins Leben mit Euch, Jahrgang 2023.
Matthias Imkampe
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