Europa, Europa!
Auf dem Papier ist die EU eine Erfolgsgeschichte. Sie hat ca. 510 Mio. Einwohner und 28 Mitgliedsstaaten. Zuletzt trat 2013 Kroatien bei, weitere Staaten würden gerne Mitglied der EU werden. Die EU garantiert seit Jahrzehnten Frieden und Wohlstand innerhalb Europas. Und doch steht die EU derzeit vor großen inneren und äußeren Herausforderungen. Krisen und Kriege wie in Syrien, Nordafrika oder der Ukraine gefährden auch die Sicherheit und Stabilität der EU, nicht zuletzt durch Terroranschläge in Europa selbst. Die Zahl der Menschen, die ihre Heimat verlassen und Schutz in Europa suchen, ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Innerhalb der EU erfordern Flucht und Migration eine gesamteuropäische Lösung, die es noch nicht zu geben scheint. Einige Mitgliedsstaaten wie Ungarn oder Polen verstoßen nicht nur in dieser Frage gegen gemeinsame Werte und demokratische Standards. Darüber hinaus sind die Konstruktionsfehler der Gemeinschaftswährung Euro immer wieder in der Kritik, etwa im Zusammenhang mit der sogenannten „Griechenlandkrise“. Und nicht zuletzt möchte mit Großbritannien ein wichtiges Mitgliedsland die EU verlassen.
Als wirtschafts- und einwohnerstärkstem Land der EU fällt Deutschland eine bedeutende Rolle bei der Lösung dieser Herausforderungen zu, und Deutschland wird auch eine zentrale Rolle bei der Frage spielen, wie die EU in Zukunft aussehen wird. In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, ob auch unsere Schülerinnen und Schüler noch europaweit studieren, leben und arbeiten können, und es wird sich auch entscheiden, ob Europa weiterhin in Wohlstand und Frieden leben kann.
Um das komplexe Thema „Europa“ den Schülern näherzubringen, fanden in diesem Schuljahr zwei Veranstaltungen statt – ein Besuch im Europäischen Parlament und ein Vortrag in der Aula:
Am 16. und 18. Mai besuchten unsere Zehnerklassen das Europäische Parlament in Straßburg. Auf dem Programm stand ein Gesprächstermin mit der Abgeordneten Dr. Inge Gräßle (CDU) und der Besuch einer Plenardebatte. Vor zwei Jahren dominierte bei Frau Dr. Gräßle und auch bei den Schülern noch das Thema Freihandelsabkommen/ TTIP, dieses Jahr stand ganz im Zeichen der aktuellen Krisen innerhalb und außerhalb der EU. Die Details der Tagespolitik traten in den Hintergrund als die Abgeordnete eine Lanze für ein geeintes und starkes Europa brach. Gerade Deutschland sei als exportorientiertes Land auf ein friedliches Miteinander und offene Märkte angewiesen.
Ins gleiche Horn stieß Dr. Joachim Wiemann, der am 17. Juli vor den Klassen 9-11 Vorträge mit dem Thema „Wie funktioniert die Europäische Union?“ hielt. Herr Dr. Wiemann hat im Jahr 2000 das Abitur am EWG abgelegt, anschließend Jura studiert und einen Master-Abschluss der Harvard Law School (Cambridge, USA) erworben. Danach arbeitete er als Anwalt in Brüssel, seit 2011 ist er Beamter bei der Europäischen Kommission in Brüssel. Dr. Wiemann arbeitet dort in der Generaldirektion Wettbewerb im Bereich „Beihilfenkontrolle“. Hierunter versteht man die Kontrolle aller nationalen Subventionen und ähnlichen nationalen Regelungen durch die EU, die bestimmte Unternehmen begünstigen können. Die „Beihilfenkontrolle“ ist notwendig für das Funktionieren des Binnenmarktes um einen fairen Wettbewerb zwischen allen Unternehmen in der EU zu ermöglichen.
Im Rahmen des „back to school“-Programms kam Dr. Joachim Wiemann für einen Tag zurück an seine Schule, um über die Arbeit der EU aus erster Hand zu berichten. Er erklärte in seinem Vortrag, was die EU eigentlich ist, auf welchen Prinzipien sie aufbaut und in welchen Bereichen sie tätig wird. Die Schüler bekamen einen Eindruck davon, wie auf europäischer Ebene Politik gemacht wird und was die EU als historisch einzigartiges Gebilde zwischen internationaler Organisation und Staat ausmacht. Die Schüler interessierten sich insbesondere für Gründe und Ablauf des Brexit und wollten z.B. wissen, ob man in Zukunft immer noch in England studieren können wird. Dr. Wiemann wollte nicht Orakel spielen, als Kenner der Brüsseler Szene mutmaßte er aber, dass hier bestimmt Kompromisslösungen gefunden würden.
Jochen Schmidt